IKF-News Dezember 2017
Privacy oder Publicy: Wohin führt die digitale Transformation?

Artikel von David Krieger & Andréa Belliger, im Dezember 2017

Eines der heiss umstrittenen Themen der digitalen Transformation ist das Schicksal des individuellen Menschen, der sich zunehmend in Information auflöst und somit zum «Datenfutter» allmächtiger Algorithmen wird. Es scheint, als ob sich ob diesem Thema zwei harte Fronten bilden, die um Deutungshoheit im Kontext der «data driven society», die durch und mittels Daten gesteuerte Gesellschaft, kämpfen. Auf der einen Seite steht das Ideal des freien, informationell selbstbestimmten Bürgers, der souverän über die Nutzung «seiner» Daten entscheidet. Gegen dieses freie Subjekt stellen sich die grossen Datenkraken, Regierungen oder grosse globale Unternehmen, die alles über ihre Bürgerinnen und Bürger und Kunden wissen und alles kontrollieren können. Vieles steht bei dieser Weltsicht auf dem Spiel. Und ohne einen starken Schutz der Privatsphäre, so argumentieren die Befürworter der neuen Datenschutzgrundverordnung der EU, ist die Freiheit, Autonomie und Menschenwürde fundamental bedroht. 

Ganz anders interpretiert dies die Gegenseite: Werden die überall generierten Daten, Big und Smart Data, nicht optimal genutzt, so argumentieren die Vertreter der digitalen Binnenmarkt-Strategie der EU, verpassen wir nicht nur den Zugang zur globalen digitalen Gesellschaft, sondern wir werden auch auf die grossen Vorteile personalisierter Produkte und Dienstleistungen in Medizin, Bildung und anderen Bereichen verzichten müssen.

So entschieden und scheinbar kompromisslos sich die zwei Parteien gegenüberstehen, so unvermeidbar stellt sich die Vermutung ein, dass die alte und typisch europäische Geschichte vom Antagonismus zwischen Individuum und Gesellschaft in der neuen digitalen Welt wenig Sinn macht. Vielleicht ist der Mensch ja weder privat noch öffentlich? Vielleicht ist Information eine besondere Art von Ding, das weder dem Individuum alleine noch der Öffentlichkeit gehört und deswegen weder dem freien Markt, noch der öffentlichen Verwaltung ohne weiteres unterstellt werden darf? Wenn wir das Gefühl haben, dass Daten aller Art ein enormes Wertschöpfungspotential bergen, dass dieser Wert aber weder der Bereicherung einiger Privatunternehmen, noch dem Staat gehören soll, so könnten und sollten wir versuchen, die Diskussion über die Nutzung von Daten auf eine andere Basis zu stellen.

In einem neuen Buch mit dem Titel Network Publicy Governance – On Privacy and the Informational Self (erscheint im Januar 2018 im tanscript Verlag, Bielefeld) erläutern die beiden IKF-Forschenden Andréa Belliger und David Krieger ein neues Verständnis von Daten und Information. Anstelle von Privatheit (Privacy) als Grundkondition des heutigen Menschen plädieren sie für «Publicy», eine Offenheit, die dem Zustand des permanenten Fliessens von Information in Netzwerken entspricht.

In den Ausführungen zeigen Sie auf, dass Information etwas ist, dass weder als Privateigentum, noch als Eigentum des Staates betrachtet werden kann, und Daten und Information daher weder vom freien Markt, noch durch Politik und Staat adäquat reguliert werden können. Wie aber soll notwendige Regulierung dann aussehen?

Belliger und Krieger schlagen eine neue Form von Netzwerk-Governance vor, bei der alle Stakeholder, Bürger, Unternehmen, NPO, Regierungsstellen etc. gemeinsam Datennutzungsszenarien entwerfen und mit Blick auf das Gesamtwohl aller Stakeholder implementieren. Nicht Privacy, sondern Publicy, nicht Government, sondern Governance stehen dabei im Zentrum dieses neuen Ansatzes. Damit könnte die heute festgefahrene Debatte um Datennutzung auf neuen Boden gestellt und möglicherweise ein sicherer Weg in die digitale Zukunft bestritten werden. 
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