IKF-News Mai 2021
Interview mit Jana Riedmüller: Vielen fehlt die Kaffeepause

Irma Endres (IKF): Homeoffice und Kommunikation: Was hat sich deiner Meinung nach in den letzten Monaten in Unternehmen in Bezug auf Kommunikation verändert?
Jana Riedmüller: Vieles und das primär zum Guten. In allererster Linie hat sich gewiss die generelle Einstellung gegenüber Veränderungen und Transformationsprozessen geändert: Eine Verweigerungshaltung wich einer lösungsorientierten Attitüde. Alle sassen plötzlich im selben Boot. Gleichzeitig hat sich auch die Art der Kommunikation verändert; die Menschen tauschen sich offener aus, gestehen sich Unsicherheiten ein und finden gemeinsam Lösungen. Was jedoch auf der Strecke blieb, ist die nonverbale Kommunikation, die soziale Bindung, kurz: die Kaffeepause. Einer meiner Kunden beschrieb die Kaffeemaschine als «Kit des gesamten Teams». Am Coffeepoint erfuhr man so ziemlich alles, was in der Firma läuft. Quasi fand hier die Synchronisation des Betriebes statt.
 
Irma Endres (IKF): Der berühmte «Kaffeeklatsch», das informelle Gespräch, fiel also weg. Wie wurde intern und extern mit Unsicherheiten umgegangen und darüber kommuniziert?
Jana Riedmüller: Zu Beginn der Pandemie bangten viele um ihre Jobs, Staatshilfen waren noch nicht absehbar. Es war daher oberstes Gebot der Führung, den Mitarbeitenden zumindest für eine gewisse Zeit Sicherheit zu geben und dies auch zu kommunizieren. Eine meiner Klientinnen hat ihrem Team gleich zu Beginn versichert, über ausreichend Liquidität zu verfügen, um die Löhne für einen gewissen Zeitraum zahlen zu können. Das hat für viel Goodwill gesorgt. Viele CEOs haben ihre Mitarbeitenden regelmässig über die aktuelle Situation informiert oder sich per Zoom an sie gewandt und auch gegenüber Kunden transparent informiert. Gleichzeitig waren natürlich auch Führungskräfte verunsichert. Ein Miteinander war deshalb entscheidend. Diese Krise war und ist für Führungskräfte wie auch Mitarbeitende kräftezehrend, zeigt aber auch auf, wozu sie fähig sind.
 
Irma Endres (IKF): Homeoffice ist keine neue Erfindung, verlangt aber nach neuer Kommunikation.
Jana Riedmüller: Das ist so, es gab bereits Firmen mit Homeoffice-Lösungen, die jedoch nicht oder nicht ausreichend genutzt wurden. Wer im Homeoffice arbeitete, war in manchen Firmen regelrecht isoliert. Diese Mitarbeitenden wurden teils nicht zu Meetings eingeladen oder gar nicht erst angerufen à la, die sind «daheim», da will man nicht stören. Büropräsenz galt automatisch als Arbeitstätigkeit. Es gibt noch immer Menschen, die meinen, nur wer im Büro präsent ist, arbeitet auch. Plötzlich aber waren 80 bis 90 Prozent «zu Hause». Das schuf ein neues Bild. Doch nach wie vor ist die Hemmschwelle hoch, jemanden zu Hause zu kontaktieren.
 
Irma Endres (IKF): Tatsächlich? Das überrascht mich. Wie können Firmen denn damit umgehen?
Jana Riedmüller: Transparenz. Empathie. Reden. Es tut den Kolleginnen und Kollegen gut, wenn sie reden, sich austauschen können. Dazu gehören auch Unsicherheiten. Es hat sich im letzten Jahr auch neues Misstrauen aufgebaut, ob die Mitarbeitenden denn zu Hause auch wirklich arbeiten, gleichzeitig sind Chefs vielleicht weniger erreichbar – als zu jener Zeit in den Büros – weil sie sich einen neuen Rhythmus an den Randzeiten zugelegt haben, zum Beispiel aufgrund von Kleinkindern im Haus. Für viele ist im Homeoffice ein hoher Rechtfertigungsdruck entstanden, sich selbst aber eben auch anderen gegenüber. Manche meinten plötzlich, von früh bis spät erreichbar sein zu müssen, der Lebensrhythmus geriet völlig durcheinander. All das muss kommuniziert, diskutiert, als Problem erkannt und gelöst werden. Da wir künftig primär hybride Arbeitsplätze haben werden, sollten wir lernen, damit umzugehen.
 
Irma Endres (IKF): Welche Kommunikationsmassnahmen bieten sich dafür an?
Jana Riedmüller: Man könnte zum Beispiel eine interne Plattform schaffen, grössere Firmen haben bereits ein Intranet, wie eine Art schwarzes Brett. Dort kann Präsenz markiert werden, dass man vielleicht auch mal in Ruhe arbeiten möchte oder einfach auch nur eine Mittagspause macht. Flexible Arbeitszeiten und -plätze sowie ein Grundvertrauen ineinander sind das neue Normal. Auch könnten kleine «Merkblätter» erstellt werden, wie das Homeoffice optimalerweise eingerichtet werden sollte, es gibt bereits viele Tipps, wie sich «Dienst und Schnaps» gut trennen lassen im Homeoffice. Regelmässige Befragungen helfen zudem, den Puls am Team zu behalten. Online Teamsitzungen vermeiden Isolation. Wichtig ist auch, dass nicht nur über Sachthemen gesprochen wird, sondern wie im Präsenzoffice auch Raum für Emotionen und Persönliches bleibt. Manche Unternehmen haben ihren Mitarbeitenden Rezepte und Zutaten nach Hause geschickt und dann anstelle des traditionellen Weihnachtsessens gemeinsam online gekocht. Es gibt viele Ideen. Firmen, die bereits vor der Pandemie gut kommunizierten, taten dies auch während. Einfach mit neuen technischen Tools. Jene, die vorher eher marginal kommunizierten, waren nun zu vermehrtem Dialog gezwungen. Gut wäre, wenn sie das künftig beibehielten und als Vorteil betrachteten.
 
Für Bildungsinstitutionen stellten sich allerdings zusätzliche Herausforderungen. Es galt häufig, den Studien- oder Lehrbetrieb von 0 auf 100 auf Online-Unterricht umzustellen und dabei jegliche Unterbrechung der Lehre zu vermeiden. Das war organisatorisch und infrastrukturell, aber auch für die Kommunikation eine grosse Herausforderung. Schliesslich trafen hier von den Dozierenden und Lehrpersonen bis zu den Lernenden und Studierenden Menschen mit völlig unterschiedlichen Einstellungen und Voraussetzungen in Sachen online aufeinander. Für die einen war es gelobtes Land für die anderen sinnloses Teufelszeug, das man ganz sicher nicht mitmachen würde. Zudem gibt es nach wie vor Menschen, die weder WLAN noch ein Laptop besitzen. Da waren in Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen diplomatisches Geschick ebenso gefragt wie zügige Entscheidungen, Investitionen und eben Kommunikation.

 
Irma Endres (IKF): Die grosse Herausforderung bei der Umstellung auf Online-Unterricht kann ich bestätigen. Am IKF hatten wir das grosse Glück, Dozierende und Studierende zu haben, die uns sehr aufgeschlossen und mit grossem Engagement bei der Umsetzung unterstützten. Wir bekamen und bekommen dazu von allen Seiten sehr positives Feedback, was uns natürlich sehr freut.
Liebe Jana, was lernen wir für die Zukunft in Sachen Kommunikation?
Jana Riedmüller: Es wird sich eine Hybridlösung zwischen Homeoffice und Präsenzarbeit durchsetzen. Damit wird auch die Kommunikation hybrid bleiben: Leitungsmitglieder sollten also aktiv auf möglichst allen Ebenen kommunizieren und sich nicht darauf verlassen, dass bestimmte Themen schon irgendwie bei den Leuten ankommen. Gleichzeitig können «Inseln der Synchronisation» geschaffen werden, auf denen sich die Mitarbeitenden persönlich bei einem Kaffee oder Tee austauschen können. Denn Synchronisation findet sowohl auf verbaler als auch auf nonverbaler Ebene statt: Ein Handschlag, ein Schulterzucken, ein spontanes Lachen, ohne dass genau dann das WLAN zusammenbricht; all das sagt mehr als tausend Worte. Und auch Mitarbeitende haben eine Bring- wie Holschuld: Viele Führungskräfte waren in den letzten Monaten stark gefordert, es ist keineswegs eine leichte Aufgabe, Mitarbeitende zu führen, die physisch nicht präsent sind. Ich bin sicher, jede Chefin und jeder Chef ist noch so froh um Mitarbeitende, die nicht nur «auf Befehl» arbeiten, sondern aktiv Fragen stellen, Ideen einbringen und unternehmerisch denken, handeln und kommunizieren.
 
Irma Endres (IKF): Vielen Dank, liebe Jana, für diese wertvollen Antworten.
 

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